Dienstag, 16. Juni 2009

Toskana - Die Magie der Steine


Steine sind rund, eckig, glatt, rau, porös. Sie sind weiß, grau, braun, anthrazitfarben, aber auch grün, blau, gelb, orange, rosa oder mehrfarbig. Und sie haben eine Seele, wie ein Besuch des „Selva di Sogno“ – „Traumwald“ - zeigt. Seit mehr als 20 Jahren entstehen auf einem etwa vier Hektar großen Areal in der Nähe von Siena Kunstwerke der ganz besonderen Art.

Inmitten eines uralten Eichenwaldes im noch ursprünglichen Teil der Toskana entdecken die Besucher sitzende oder liegende Menschen aus Stein. Architekturen, die mal an griechische mal an indische Tempel oder die berühmten Nuraghen auf Sardinien erinnern. Beruhigende Mandalas oder einfach nur Sammlungen, die den unendlichen Erfindungsreichtum der Natur demonstrieren. Die Steine sind weder geklebt noch zementiert, sondern stehen unter Ausnutzung des Gesetzes der Schwerkraft im freien Raum. „Ich benutze die Steine, so wie sie sind, ich verforme sie nicht“, erklärt der deutsche Künstler Deva Manfredo, der sich in erster Linie als „Präsentator der Welt der Steine“ sieht.

Das Material sammelt er in ganz Europa, an Stränden, in Wäldern, in Flüssen, auf Steinabfallhalden und bei Unternehmen, die Industriesteine herstellen. Aus einer niedersächsischen Ziegelbrennerfamilie stammend hatte er schon immer eine Affinität zu Steinen, die er als „Knochen der Erde“ bezeichnet. „Steine haben mich von Kindheit an wegen ihrer Schönheit und Formen fasziniert“, erklärt der Künstler. Das Besondere an diesem Material ist für ihn dessen Unbeweglichkeit, Zeitlosigkeit und Ewigkeit. „Unser Leben dauert im Vergleich zu den Steinen eine Sekunde“, betont Manfredo.

Seine Kunstwerke entstehen je nach Stimmung. „Wenn ich Lust habe, in den Himmel zu gehen, dann baue ich einen Turm“, erklärt er. „Die Mandalas hingegen entstehen, wenn ich nach innerer Ruhe suche“. Den Besuchern gibt er auf kleinen Metallschildern Hinweise, wie sie die Skulptur meditativ aufnehmen können. Doch diese ziehen oft ihre eigene Betrachtungsweise vor.

Besonders Kinder reagieren begeistert auf die Vielzahl der Formen und Farben. Sie lassen ihren Eindrücken freien Lauf und sprechen aufgeregt über ihre Gefühle und Assoziationen, die sie aus der stummen Steinwelt bekommen. „Guck mal, der arme Baum, der ist ja ganz voll von Steinen“, ruft ein Junge aus, als er vor einer vom Blitz getroffene Eiche mit dem Titel „The Rage of Sky“ steht. „Ist auch nicht schön, wenn man eine Narbe hat“, kommentiert der kleine Besucher Manfredos Kunstwerk. Einige 100 Meter weiter wundert sich ein anderes Kind über die Installation „Bodyfield“. “Diese Menschen schreien ja nicht mal, wenn man auf sie tritt“, stellt der Junge fest, als er auf dem Boden liegende Figuren aus Stein entdeckt. So spannend kann ein Museumsbesuch sein.

Der Skulpturenpark gefällt jedoch nicht nur Kindern. „Ich muss mit meinen Figuren eine Ebene erreicht haben, die sehr archetypisch ist“, erklärt sich Manfredo seinen Erfolg. Dies liegt sicherlich auch an dem besonderen, magischen Ort. Das Licht, der Wind, das Zirpen der Grillen und das Vogelgezwitscher - auch sie werden zu Teilen des Gesamtkunstwerkes. „In der Natur gibt es Elemente, mit denen ich spielen kann“, so der Künstler weiter. Manche Skulpturen hat er direkt in Bäume oder Büsche eingebaut. Andere verändern sich durch die Wetterbedingungen oder haben je nach Jahreszeit eine andere Farbe. Obwohl sie ohne Mörtel und Kleber gebaut wurden, fallen viele der großen Installationen erst nach Jahren in sich zusammen. Kleinere werden von der Erde langsam eingegraben, andere wiederum nehmen die Tiere des Waldes als Behausung in Besitz.

„In Zeiten gigantischer Naturzerstörung versuche ich ein Zeichen des Respekts für die Kreativität der Natur zu setzen.“, erklärt Manfredo seine Lebensaufgabe. In seinem früheren beruflichen Leben arbeitete er in Hamburg als Stadtplaner und Grafikdesigner. Seine Steinskulpturen werden inzwischen auch außerhalb des Open-Air-Museums gezeigt. Dabei konnte er feststellen, dass auch in geschlossenen Räumen die Faszination seiner magischen Welt der Steine nicht verloren geht.

Der Traumwald – „Selva di Sogno“ –ist von April bis Oktober zu besichtigen. Er ist nur mit dem Auto zu erreichen und liegt zwischen Siena, Casole d’Elsa, Rosia und Chiusdino. Telefonische Voranmeldung mit ausführlicher Wegbeschreibung unter der Handynummer 0039-333-4330183. Weitere Infos unter www.devamanfredo-stoneart.com oder devamanfreedo@hotmail.com.

© Marlies Moser