Donnerstag, 16. Juli 2009

Osteria No. 1- einfach, klassisch und doch etwas Besonderes



Berlin-Kreuzberg, am Fuße des Viktoria-Parks. Wir haben Hunger und als ehemalige Westberliner Studenten fällt uns unser Lieblingsitaliener von damals ein: Die Osteria No. 1 in der Kreuzbergstraße 71.

Von außen sieht das Restaurant noch genauso aus wie in den 80er Jahren. Aber schon beim Betreten des Altbaus wird uns klar, dass auch hier ein Wandel stattgefunden hat. Der alternative Touch von damals ist verschwunden. Die vier Räume wirken mit den dunklen Bistrostühlen, den weißen Papierübertischdecken und den gestärkten Stoffservietten klassisch, aber nicht elegant.

Auch beim Essen hat sich hier einiges geändert. Inhaber und Geschäftsführer Fabio Angilé setzt auf eine schlichte und klassische italienische Regionalküche „von Palermo bis Bolzano“, wie er betont. Bei den Produkten haben Qualität und Frische oberste Priorität. Unterstützt wird er von den Köchen, die aus Nord- und Süditalien kommen sowie von seiner Mutter. Luciana de Vitis ist 1992 nach Berlin gezogen und sorgt dafür, dass täglich mindestens zwei bis drei Gerichte mit hausgemachter Pasta beziehungsweise Primi piatti auf der ständig wechselnden Karte stehen.

Wir probieren als erstes eine Parmigiana, die im Gegensatz zur neapolitanischen Variante neben Mozzarella auch Mortadella enthält und dadurch viel würziger schmeckt. Über unser Kompliment freut sich Luciana besonders. „Mein Sohn hätte die Parmigiana lieber als vegetarisches Gericht, aber ich komme aus Apulien und in eine apulische Parmigiana gehört nun mal Mortadella“, erklärt sie.

Die nächste Kreation von ihr sind Ravioli mit einer Radicchio-Walnuss-Füllung und Parmesankäsecreme, einer Spezialität aus Venezien. Die bittere Füllung steht im Kontrast zur eher süßlich schmeckenden sahnigen Creme. Kellner Salvatore empfiehlt uns dazu ein Glas trockenen Verdeca, der die beiden gegensätzlichen Geschmackskomponenten harmonisch miteinander verbindet.

Aber auch die Secondi sind in der Osteria nicht zu verachten. Koch Domenico bereitet
uns eine Dorade in Salzkruste zu, die nicht nur spektakulär aussieht, sondern mit
ihrem intensiven Eigengeschmack ein wahrer Genuss ist. „Durch die Salzkruste bleibt
der Fisch schön saftig, das Aroma geht nicht verloren und der Fisch bekommt durch die Haut genau die richtige Menge an Salz“, erklärt der Sizilianer.

Mittags werden in der Regel einfachere Gerichte angeboten wie beispielsweise Lingua di vitello in salsa verde (Kalbszunge in grüner Sauce), der Klassiker Vitello tonnato, Fiori di zucchine farciti (mit Ricotta und Minze gefüllte Zucchiniblüten), oder Spaghetti alle vongole. Nicht alle Nudeln der Osteria werden selbst gemacht. „Getrocknete Nudeln liegen nicht so schwer im Magen wie frische“, erklärt Fabio. Daher koche man in der Osteria auch mit sehr guten industriell hergestellten Nudeln.

Als Secondi gibt es am Mittag Pollo al forno con limone e rosmarino (Maishähnchen aus dem Ofen) oder Orata della corona al cartoccio (Goldbrasse aus der Folie mit Kirschtomaten und Kräuter). „Eine leichte Mittagsküche ist wichtig, wenn man danach wieder zur Arbeit zurückgehen muss“, sagt der Geschäftsführer. Für diejenigen, die doch etwas mehr essen wollen, gibt es vier einfache Mittagsmenüs bestehend aus Suppe oder Salat, einer Pasta oder einem Fleisch- bzw. Fischgericht und einem Tagesdessert.

Die Weinkarte der Osteria hat in ihrer 30jährigen Geschichte ebenfalls an Niveau gewonnen. Etwa 40 verschiedene Flaschenweine aus ganz Italien stehen zur Auswahl, darunter ein 2004er Nero aus den Rebsorten Negroamaro und Cabernet Sauvignon vom Weingut Conti Zecca aus Apulien (55,00 Euro) oder ein 2004er Sauvignon „Pierre“ vom Weingut Via Romans aus Friaul (39,00 Euro).

Fabio hat die Osteria 1989 von seinem Onkel übernommen. Davor wurde in diesen Räumen leidenschaftlich über eine bessere Politik diskutiert. Das Lokal verkörperte das Lebensgefühl der linken Studentenszene Kreuzbergs. „Hier soll auch die Idee für die linksalternative Zeitung taz entstanden sein, das Essen war Nebensache“, so der 40-Jährige. Von all dem ist heute nichts mehr zu spüren. Bis auf die angenehme und ungezwungene Atmosphäre, die auch immer wieder Prominente anlockt, wenn sie ungestört ein gutes italienisches Essen genießen wollen. Die Gäste der Osteria reagieren in der Regel emotionslos auf bekannte Gesichter.

Seit gut zehn Jahren gehört zum Restaurant auch ein begrünter Innenhof, der gerade zur Mittagszeit oder in lauen Sommernächten eine mediterrane Oase ist. Neben einem Kirsch- und Walnussbaum stehen Palmen, Oliven- und Orangenbäumchen sowie anderes Gewächs aus dem Süden, an dem sich nicht nur Gartenfreunde erfreuen. Auf der Terrasse gibt es auch einen eleganten Springbrunnen aus grünem und weißem Marmor. Ein Sandkasten sorgt dafür, dass Eltern das Essen in Ruhe genießen können. „Ich habe selbst drei Kinder und weiß, wie wichtig so etwas ist“, sagt Fabio. Ärger mit dem Hausbesitzer gibt es nicht, und so kann das kleine Paradies bei schönem Wetter auch nach 22.00 Uhr genutzt werden.

Für Fußballfreunde lässt Fabio neben dem Restaurant alle zwei Jahre ein großes Zelt aufstellen, in dem die WM- oder EM-Spiele auf Großleinwand übertragen werden. „Das Fußballzelt ist ein multikultureller Treffpunkt“, betont der Wirt. Es versteht sich also von selbst, dass nicht nur die Turniere der Squadra Azzurra oder der deutschen Nationalelf gezeigt werden.

‚Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann müssen wir alles ändern’, schrieb einst der sizilianische Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa. Fabio Angilé scheint sich diesen Spruch zu Herzen genommen zu haben.

Osteria No. 1
Kreuzbergstraße 71
10965 Berlin
Tel.: 030/786 91 62
Fax: 030/786 66 84
www.osteria-uno.de

© Marlies Moser