Montag, 19. Juli 2010

Piazza Italiana – eine italienische Enklave nördlich von Berlin



Eine Piazza mitten auf dem Todesstreifen? An so etwas hatten die DDR-Grenzpolizisten sicherlich nicht gedacht, als sie seinerzeit im Norden Berlins patrouillierten. Aber in der Hauptstadt ist bekanntlich alles möglich: Seit über 14 Jahren gibt es nun schon das Restaurant „Piazza Italiana“, das seinen Gästen neben gutem Essen reichlich italienisches Lebensgefühl bietet.

Der Ort des Geschehens ist ein auffälliges, aber nicht aufdringliches Gebäude in Glienicke/Nordbahn, einer überschaubaren Gemeinde am nördlichen Stadtrand von Berlin-Reinickendorf. Das Haus, das Antonio Modesti 1995 und 96 direkt an der Oranienburger Chaussee bauen ließ, erinnert mit seinen sechs Türmen entfernt an den Zuckerbäckerstil.

Draußen gibt es großzügige Parkplätze und drinnen wird der Besucher zunächst von einer reichlich bestückten Weinhandlung sowie einem Feinkostladen überrascht. Bereits hier laden ein paar Tische zum Verweilen ein. Dreht man wie auf einer Piazza seine Runde, führt der Weg in einen weiteren Raum mit rustikalen Holztischen sowie in den größten Restaurantbereich. Hier steht der Steinofen, in dem die berühmten Pizzen gebacken werden.

Wie auf einer Piazza geht jeder Besucher seinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen nach. Die einen wollen nur schnell einen Cappuccino trinken, andere brauchen italienische Wurst, Käse und Brot für Zuhause. Beim Stöbern entdecken sie zwischen Pasta und Marmelade einen Reiseführer über die Toskana, eine knallrote Küchenwaage oder eine schicke Kochschürze – nette Geschenke für Freunde.

Geschäftsführer Modesti stellt uns zunächst die gute Seele der Piazza vor, Signora Rosaria Fragnielli. Sie ist die Herrscherin über die Antipasti des Hauses. In der Vitrine steht ein breites Angebot an gegrilltem Gemüse: Chicorée, Zwiebeln, Auberginen und Zucchini. Auch marinierte Paprikaschoten, gefüllte Champignons, ein Salat mit Meeresfrüchten, kleine leckere Fleischbällchen sowie eine Frittata sind mit von der Partie. „Die Rezepte stammen von mir“, erklärt Rosaria. „Ich mache alles so, wie ich es zu Hause in Apulien gelernt habe.“

Da sie abwechselnd in ihrem Dorf Martina Franca und der Piazza Italiana lebt, hat sie ihre Kollegen bei der Zubereitung der Vorspeisen genauestens instruiert. So fällt die physische Abwesenheit von Signora Rosaria den Gästen zumindest beim Essen nicht auf. „Das Wichtigste ist, dass man das was man tut mit Liebe zum Produkt tut“, betont sie.

Wir wollen die viel gerühmte Pizza testen und bestellen eine Focaccia mit Gorgonzola und Tiroler Alpenspeck. Und wirklich: Die Pizza aus dem Steinofen schmeckt exzellent. Der Boden ist dünn, der Teig schön knusprig und der Belag ist nicht zu schwer, so dass man die Stücke leicht mit den Händen essen kann. „Jeder unserer beiden Pizzabäcker macht seinen eigenen Teig wenn er mit der Schicht beginnt“, erklärt uns Modesti. Dies sei das A und O einer guten Pizza.

Wir fragen Peppino nach dem Geheimnis seines Pizzateigs. „Die Zutaten sind bei jedem Pizzabäcker die gleichen: Mehl, Hefe, Salz, Wasser und ein wenig Olivenöl“, sagt er. „Der Rest kommt von mir, aus meinem Herzen“, betont der Römer mit der entsprechenden Mimik und Gestik, so dass wir uns am liebsten noch eine Pizza bestellen würden. Aber in der Küche wird gerade ein anderes Gericht für uns zubereitet.

Wie das Angebot auf einem Marktplatz lebt auch die Piazza Italiana von der jeweiligen Jahreszeit und so gibt es saisongerecht frische weiße Trüffel aus Alba. Wir bekommen sie ganz stilecht mit Tagliolini Piemontesi serviert, schmalen und dünnen Eierbandnudeln aus Hartweizengries.

„Trüffel gibt es bei uns nur in der Saison und nur direkt aus dem Trüffelparadies Alba“, erklärt Modesti. Und damit ist er auch schon bei der Beschreibung seiner Küche: „Bei uns werden aus hochwertigen Produkten einfache Gerichte gekocht.“ Zur Gewährleistung der guten Qualität zieht er beim Kauf der Produkte kleine Hersteller vor. Beim Fleisch liegt die Präferenz bei Bioprodukten von einer kleinen Genossenschaft aus dem Darß an der Ostsee, was jedoch leider nicht immer möglich sei. Schließlich sei das Angebot gemäß den Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft begrenzt.

Dass Qualität für Modesti oberste Priorität hat, ist er seiner Herkunft schuldig. „Bei mir zu Hause wurde die Wurst immer selbst gemacht, das Fleisch stammte von unseren Tieren“, erklärt der Sohn eines Bauern aus den Abruzzen. So scheut er auch heute keinen Aufwand, um seinen Gästen immer wieder einen besonderen Leckerbissen zu organisieren. „Manchmal bekomme ich vom Metzger meines Vertrauens aus Greve bei Chianti Fleisch vom Chianina-Rind“, sagt er. „Dann gibt es bei uns die originale Bistecca Fiorentina. Mit einem Glas kräftigen Rotwein ist dies ein besonderer Genuss“, so Modesti weiter.

Solche Gerichte stehen in der Regel nicht auf der Speisekarte. „Unsere Stammgäste wissen das schon und fragen immer gleich, was wir ihnen empfehlen können“, sagt Kellner Massimo aus Neapel. Die Fischgerichte seien ebenfalls nur mündlich wie auf einer Piazza zu erfahren, da das frische Angebot täglich variiere. Wir probieren ein Fleischgericht – Osso Buco mit Risotto al Zafferano. Die Kalbshaxe ist sehr zart und der Risotto genau so, wie er sein muss: schön cremig, aber dennoch al dente.

Das reichhaltige Weinsortiment ist ebenfalls nur zu einem Bruchteil aus der Karte zu erfahren. „Wir haben rund 1500 verschiedene Weine“, betont der Hausherr und lädt uns zu einem kurzen Besuch des Weinkellers ein. Die Gewächse kommen hauptsächlich aus der Toskana und dem Piemont, aber auch eine kleine Auswahl an französischen Weinen ist zu sehen. Der teuerste Tropfen ist ein Brunello di Montalcino aus dem Jahr 1955 für stolze 3500 Euro. Darauf folgt ein Château Pétrus aus dem Jahr 2000, der 2500 Euro kostet. Wer nicht so viel Geld für einen Wein ausgeben möchte, findet schon ab 20,00 Euro etwas Gutes. „Natürlich sind die Weine auch im Glas zu bekommen“, sagt Modesti.

Für ihn ist die Piazza Italiana in erster Linie ein Familienrestaurant. „Sehr beliebt sind unsere Pizza-Backkurse für die Kleinen“, erzählt er. Auch wenn er nichts damit verdienen kann, ist ihm dies sehr wichtig. Schließlich seien die Kinder die Kunden von Morgen, „und man kann nie früh genug damit anfangen, sie für gute Produkte zu sensibilisieren“, erklärt der dreifache Familienvater. Aber auch für die Großen ist für Abwechslung gesorgt. So findet jeden Sommer ein kleines Fest statt, zu dem die Produzenten höchstpersönlich aus Italien anreisen und ihre Spezialitäten zur Verkostung anbieten.

Piazza Italiana
Oranienburger Chaussee 2
16548 Glienicke/Nordbahn
Tel.: 030/404 46 13
www.piazza-italiana.net
© Marlies Moser

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen