Sonntag, 18. Juli 2010

Villa Marie in Dresden - eine schlichte und elegante Interpretation der italienischen Küche


Dresdens Verbindungen zu Italien waren schon immer etwas Besonderes. „Elbflorenz“ oder „deutsches Florenz“ – so abgedroschen die Bezeichnungen auch klingen, sie machen auf das Wesentliche aufmerksam: Das Italienische an der Stadt hatte schon immer etwas Eigenständiges - wie auch im Falle der „Villa Marie“, einer alten Villa im toskanischen Stil.

Es ist ein angenehm warmer Frühlingstag. Drinnen im zeitlos schlicht eingerichteten Restaurant tafelt vergnügt eine kleine Hochzeitsgesellschaft. Draußen im Garten erholen sich Gäste bei einem Teller Tagliatelle von ihrer Radtour entlang der Elbe. Andere genießen auf der Veranda bei Vitello tonnato den Blick auf das „Blaue Wunder“, eine stählern-filigrane Brücke aus dem Jahr 1893. Oder sie schauen ganz entspannt den Elbdampfern hinterher.

Wir wollen die Küche von Klaus-Karsten Heidsiek und seinem Team kennen lernen. Heidsiek hat zehn Jahre lang in Italien gekocht, davon acht Jahre an der Seite von Gualtiero Marchesi in Mailand.

Bereits beim ersten Gang, einem Salat von Polpo mit grünem Spargel und Kirschtomaten, ist seine Interpretation der italienischen Küche zu erkennen: keine extravaganten Experimente, sondern eine saisonale Küche, die sich durch eine elegante Einfachheit auszeichnet. Das Fleisch des Kraken ist schön schnittfest. Es ergänzt harmonisch die aromatischen Kirschtomaten und den würzigen Spargel. „Die Grundprodukte sind sehr wichtig. Wenn sie gut sind, müssen sie bei der Zubereitung nicht mehr stark verändert werden“, erklärt Heidsiek.

An der italienischen Küche schätzt er vor allem das Kochen mit wenigen Komponenten. „Ein Salat ist in Italien keine Beilage, sondern ein einzelner Gang, der mit seinen speziellen Geschmackskomponenten für sich steht“, so der 50-jährige Küchenchef und Pächter. Beim zweiten Gang, Ravioli mit Ziegenkäse, gegrillter Zucchini und Pesto, steht zunächst das Ziegenkäsearoma im Mittelpunkt. Die Füllung ist schön cremig, schmeckt kräftig, übertönt jedoch nicht den Geschmack der Ravioli. Die gegrillten Zucchinischeiben haben durch den Flüssigkeitsentzug einen stärkeren Eigengeschmack bekommen, halten sich zusammen mit dem Pesto dennoch dezent im Hintergrund.

Ganz anders der Fischgang, gebratener Lachs auf Blattspinat. Hier konbiniert die Küche einen Klassiker mit einer hellen Sauce aus Zitrusfrüchten, Basilikum und Butter. Mit dem leicht bitteren, fruchtig-säuerlichen Geschmack von rosa Grapefruit, Orange, Zitrone und Limette wird das Gericht raffiniert aufgepeppt.

Die nächste Steigerung lässt nicht auf sich warten: Spanferkelkottelets mit Feigensenfsauce und gebratenem Gemüse. Bei diesem Gang gilt die Aufmerksamkeit dem hellen, saftigen und zarten Fleisch, das zuvor zusammen mit einem Zweig Rosmarin und einer Knoblauchzehe in Olivenöl gebraten wurde. Die Feigensenfsauce verleiht dem Fleisch eine leicht süßliche Schärfe. „Einen Teil unseres Fleisches beziehen wir von einem Biobauer aus dem nahe gelegenen Erzgebirge“, sagt Restaurantleiter Sebastian Rölke. Dieser zerlege das Tier auch nach besonderen Wünschen des Kunden. So kommt es, dass die Villa Marie ihren Gästen ab und zu die berühmte Bistecca fiorentina „in stark limitierter Auflage“ anbieten kann.

„Für eine solche Delikatesse ist unsere Kundschaft bereit, ein paar Euro mehr zu zahlen“, so Rölke weiter. Wenn möglich, bezieht Heidsiek seine Ware gern von Produzenten aus der Region. Auch aus Italien kommen wöchentlich frische Lieferungen. Aber zurück zu unserem Menü, denn das Dessert macht seiner Rolle als krönender Abschluss alle Ehre: Holundergelee mit aufgeschlagener Mascarpone-Limettencreme.

Der angenehm blumig-mild schmeckende Holundergelee wird in Verbindung mit der gehaltvollen und süß-säuerlich zubereiteten Mascarponecreme besonders gut hervorgehoben. Alles in allem ein perfekt abgestimmtes Menü. Wohl gerade wegen seiner Schlichtheit werden uns die Besonderheiten der einzelnen Gänge noch lange in Erinnerung bleiben.

Die Weinkarte ist reichhaltig. Über 100 Flaschenweine stehen zur Auswahl, der Großteil davon kommt aus dem Piemont und der Toskana. Die Gewächse werden über die „Villetta“ eingekauft, dem zweiten Restaurant Heidsieks und dem zentralen Lager. Im gemütlichen Lokal im Dresdner Stadtteil Striesen kann man die Weine zum Mitnehmen kaufen oder zu einem Korkgeld von 10,00 Euro pro Flasche direkt vor Ort trinken. Spätestens hier ist die Arbeitsphilosophie Heidsieks bestens zu erkennen. „Ich lebe diese Küche, ich lebe diese Gastronomie, und ich möchte mich in meinen Lokalen wohl fühlen“, erklärt er.

Seine Rückkehr aus Italien vor 18 Jahren erfolgte nicht ganz freiwillig. „Ich wollte bleiben und mich dort selbständig machen“, sagt Heidsiek, der aus einer Gastronomen-Familien aus der Nähe von Minden stammt. Leider musste er feststellen, dass ein deutscher Koch in Italien keine italienische Küche anbieten kann. „Ich hätte mich dort nur mit deutscher Küche selbständig machen können, aber das wollte ich nicht“, erinnert er sich. Zurück in Deutschland ging er zunächst nach Heidelberg, wo er an der Hotelfachschule eine Zusatzausbildung zum Küchenmeister machte.

Die erste Begegnung mit der Villa Marie 1993 war Liebe auf den ersten Blick, der Einstieg eine „rein emotionale Entscheidung“. „Heute bewundere ich manchmal meinen Mut von damals“, so Heidsiek. Denn das Leben mit der Villa war bisher immer wieder von Schwierigkeiten gezeichnet. Die dramatischste Phase war 2002, als das Jahrhunderthochwasser die „alte Dame“ – wie er das Haus liebevoll nennt – in die Knie zwang. Ein Teil des Personals musste entlassen werden, der Rest arbeitete mit Verzicht auf das volle Gehalt am Wiederaufbau mit. Ein halbes Jahr später erstrahlte die Villa in neuem Glanz. Trotz oder vielleicht gerade wegen solcher Rückschläge fühlt sich der Ostwestfale mit der Villa Marie sehr eng verbunden.

Villa Marie
Fährgässchen 1
01309 Dresden
www.villa-marie.com

© Marlies Moser

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